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30.07.2021 –
Nach Ostbayern und Franken in den vergangenen beiden Jahren stand für meine Tourismus-Tour 2021 Schwaben auf dem Programm: Sechs Tage lang bin ich für die Grüne Landtagsfraktion mit Bahn, Rad und Bus durch den Bezirk gereist und habe meine Fraktionskolleg*innen vor Ort besucht. Bei interessanten Betriebsbesichtigungen und im Gespräch mit Akteur*innen vor Ort durfte ich lernen, was in Sachen nachhaltiger Tourismus schon alles möglich ist und was noch getan werden kann. Ein knapper Rückblick auf eine Woche mit engagierten Menschen, tollen Eindrücken und Erfahrungen, die ich gerne mit in den Landtag nehme:
Die Tour begann gemeinsam mit Cemal Bozoğlu mit einem Besuch in einem besonderen Hotel: Das im November 2020 eröffnete Einsmehr ist Augsburgs erstes Inklusionshotel – von 22 Mitarbeiter*innen haben zehn eine Beeinträchtigung. Die Trägerinitiative Einsmehr will damit Menschen mit Behinderung Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt bieten, wie uns Geschäftsführer Jochen Mack erklärte. Ein Vorzeigebetrieb ist das Einsmehr nicht nur wegen der Inklusionsarbeit: Auch in Sachen Umweltschutz wird hier viel getan. So achten die Betreiber*innen zum Beispiel auf ökologische und faire Erzeugung – von den Lebensmitteln über Bettwäsche, Wasch- und Putzmittel bis zur Kosmetik.
Im Anschluss an den Hotelbesuch begleitete uns Tourismusdirektor Götz Beck durch Augsburg und stellte uns bedeutende Museen vor. Rundgänge im Fugger und Welser Erlebnismuseum, im Leopold-Mozart-Haus und im Welterbe Info-Zentrum zeigten uns die vielfältigen Tourismus-Angebote in Augsburg. Was dabei auch immer wieder deutlich wurde: Die Corona-Krise hat die gesamte Branche stark in Mitleidenschaft gezogen. Und gerade im Städtetourismus steht zu befürchten, dass sie auch massive Veränderungen mit sich bringt, insbesondere bei Geschäftsreisenden. Wie ich in Augsburg aber gelernt habe, machen findige Leute das Beste aus dem Wandel – mit digitalen Angeboten und Corona-konformen Konzepten denken sie den Städtetourismus neu. Der stete Wandel in der Branche wurde durch die Corona-Pandemie stark beschleunigt. Ich hoffe, dass es uns gelingt, politische Rahmenbedingungen zu bieten, die innovative und nachhaltige Angebote fördern.
An Tag zwei habe ich mich im Unterallgäu vor allem mit dem Kur- und Gesundheitstourismus beschäftigt. Nach einem Kneipp-Stopp und einem Stadtrundgang mit Stephanie Schuhknecht ging es auf der Radrunde Allgäu von Bad Wörishofen über einen Mittagshalt bei der Katzbrui-Mühle weiter nach Ottobeuren, wo Helmut Scharpf uns Grünen eine kleine Stadtführung gab. Für mich ergab sich ein differenziertes Bild. Die ganze Region knüpft beim Gesundheitstourismus an Sebastian Kneipp an, dessen 200. Geburtstag heuer gefeiert wird und der in der Nähe von Ottobeuren geboren wurde. Klar ist, dass auch der Gesundheits- und Kurtourismus einem Wandel unterliegt und immer wieder neue Ideen und kreative Köpfe gefragt sind, wenn man nicht einfach nur Bestehendes „konservieren“ will.
Die letzte Station war dann Bad Grönenbach, wo ich mir unter anderem ein altes, ehrwürdiges Gemäuer angesehen habe, das bald touristisch genutzt werden soll: Das Grönenbacher Schloss soll saniert werden und künftig als Hotel mit bis zu 80 Betten dienen.
Im Unterallgäu waren einige mehr Rad-Kilometer geplant. Wegen eines starken Gewitters war ich dann aber doch sehr dankbar für einen privaten Shuttle von Ottobeuren nach Bad Grönenbach. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln hätte ich mein Rad nämlich auf der Strecke leider nicht transportieren können. Auch wenn bisher alle Anschlüsse gut geklappt haben, zeigt das: In Sachen nachhaltige Mobilität im Tourismus gibt es noch Verbesserungsbedarf, gerade wenn es um verlässliche Angebote geht.
Die nachhaltige Mobilität war auch eins der Themen, die meine Kollegin Christina Haubrich und ich am dritten Tag der Tour im Ostallgäu mit Akteur*innen besprochen haben. Wir starteten in Pfronten. Bei unserem Gespräch mit Bürgermeister Alons Haf, Jan Schubert, Ortsentwicklung und Christian Neutzner vom Rechtlerverband ging es vor allem um zwei Dinge:
Erstens, ein sinnvolles, gütliches Miteinander von land- und forstwirtschaftlicher Nutzung und Tourismus. Die Schilderungen aus Pfronten, wo alle Beteiligten gemeinsam an Lösungen für Wegenutzung, Schutz sensibler Bereiche und vielen mehr arbeiten, machen mich zuversichtlich. Natürlich gibt es Zielkonflikte und unterschiedliche Interessen. Oft helfen aber schon erklärende Worte. Übernachtungsgäste lassen sich ohnehin sehr konkret ansprechen und für regional bedeutsame Gebiete und Nutzungsregeln sensibilisieren. Pfronten zeigt meiner Meinung nach: Wir können das hinbekommen, ohne dass die Gastfreundschaft leidet.
Zweites Thema in Pfronten war die Mobilität, die mich als Sprecher für Tourismus oft umtreibt. Die Gemeinde Pfronten bemüht sich um eine bessere Bahnverbindung, eine Nachnutzung der Bahnhofsgebäude und den Ausbau des Bahnhofsareals in Pfronten-Ried zum Mobilitätsknoten mit Busbahnhof. Das finde ich super und ich bin mir sicher, von nachhaltigeren Angeboten für An- und Abreise und die Mobilität vor Ort profitieren Einheimische und auch der Tourismus gleichermaßen.
Auf der Burgen- und Schlösserrunde ging es dann per Rad weiter nach Hopfen am See. Dort waren wir zu Besuch im Biohotel Eggensberger. Von leckerem Bioessen, über Nachhaltigkeit im Bau und Fachkräftegewinnung in der Hotellerie und Gastronomie waren unsere Gespräche so vielfältig wie die Branche eben ist. Mich freut, was dort auf die Beine gestellt wurde. Übrigens: Anreise mit der Bahn bis Füssen und Transfer zum Hotel klappt super.
Zum Abschluss habe ich mich noch über das Walderlebniszentrum Ziegelwies bei Füssen informiert. Zuletzt 150.000 Besucher*innen jährlich entdecken dort alles rund um den Wald. Außerdem bietet das Team gerne besuchte Umweltbildungs-Kurse für Schulen an.
Nach dem Unter- und Ostallgäu stand am vierten Tag ein Besuch im Oberallgäu und in Kempten an. Thomas Gehring und ich trafen uns zunächst an der Hochschule Kempten mit Prof. Dr. Alfred Bauer und Prof. Dr. Guido Sommer, um uns über die Arbeit des Bayerischen Zentrums für Tourismus und des Wissenstransferzentrums Innovative und Nachhaltige Tourismusentwicklung (InNaTour) zu informieren. Die Wissenschaftler stellten uns aktuelle Forschung zu Themen wie Besucher*innenmanagement, Tagestourismus und Digitalisierung im Tourismus vor und gaben einen Ausblick auf kommende Projekte. Und wie meist in Gesprächen über den Tourismus, ging es natürlich auch um die Folgen von Corona und den Arbeitskräftemangel in der Branche.
Die Besucher*innenlenkung stand beim zweiten Termin an diesem Tag im Mittelpunkt: Mit dem Zug und Bus ging es von Kempten nach Obermaiselstein, wo wir uns mit dem Bürgermeister Frank Fischer und Vertretern des Zentrum Naturerlebnis Alpin (ZNAlp) über deren Erfahrungen austauschten. Ich bin froh, dass es gerade im Alpenraum schon zahlreiche Projekte und Initiativen gibt, um herauszufinden, wie sich Besucher*innenströme sinnvoll lenken und Gäste aufklären lassen. Im Landtag fordern wir, besonders den Tagestourismus und dessen Auswirkungen besser zu erforschen um mit einer guten Datengrundlage Lösungen zu finden, bei deren Umsetzung am Ende auch betroffene Kommunen unterstützt werden sollten. Aus meiner Sicht würde es uns in Bayern als Tourismusland aber ganz grundsätzlich gut zu Gesicht stehen, wenn wir die Tourismusforschung stärken um solide Grundlagen für gesellschaftliche und betriebliche Entscheidungen zu liefern.
Der vorletzte Tag der Tourismus-Tour führte mich in den Norden Schwabens: Eva Lettenbauer und ich besuchten Nördlingen und das dort angesiedelte RiesKraterMuseum. Museumsleiter Prof. Dr. Stefan Hölzl führte uns durchs Museum und das Zentrum für Rieskrater- und Impaktforschung Nördlingen. Dort wird Besucher*innen beeindruckend deutlich erklärt, wie längst vergangene Ereignisse unsere Erde bis heute prägen, aber auch, wie kurz erst der Mensch den Verlauf der Erdgeschichte beeinflusst. Der Meteoriteneinschlag im Nördlinger Ries vor rund 14,6 Millionen Jahren bietet heute auch Potential für den Tourismus: Nicht nur das Museum, das besonders fachlich interessierte Gäste anlockt, ist bedeutend für den Tourismus, auch die bei Naturtourist*innen beliebte reizvolle Landschaft gäbe es ohne den Einschlag nicht.
Einen weiteren Tourist*innenmagnet in der Region zeigte uns anschließend Geopark-Führer Kurt Kroepelin: Er führte uns durch die historische Nördlinger Altstadt, die auch heute noch von einer Stadtmauer umgeben ist. Bei dieser ungewöhnlichen Führung – normalerweise führen die Geopark-Führer*innen ihre Gäste eher durch die Natur des Geoparks – erfuhren wir viel über die Geschichte der Stadt, die Bedeutung der Geologie, aber auch das Zusammenspiel von Tourismus und Naturschutz.
Von Nördlingen ging es mit der Bahn nach Tapfheim, wo wir dem liebevoll gestalteten Café Bruno im Tapfheimer Bahnhofsgebäude einen Besuch abstatteten. Wie schön es doch wäre, wenn viele oder gar alle Bahnhofsgebäude derart lebendige Orte wären. Anschließend testeten Eva und ich eine neue Tourist*innenattraktion in der Region: Den DonAUwald Premiumwanderweg von Günzburg nach Schwenningen. Wir wanderten eine Etappe entlang der Donau. Als Freund guter Beschilderungen kam ich dabei auf meine Kosten: Der nagelneue Wanderweg, der in Kooperation zweier Landkreise entstanden ist, ist durchgängig ausgewiesen. Ein großes Plus ist in meinen Augen aber auch die Tatsache, dass alle Etappen an Bahnhöfe angeschlossen sind und so ein Naturerlebnis mit einer umweltfreundlichen, flexiblen An- und Abreise verbunden werden kann.
Der letzte Tag der Tour startet bei bestem Wetter am Campingplatz am Stubenweiher. Trotz der Gewitter der ersten Tage durfte für mich die Übernachtung unter freiem Himmel, beziehungsweise im gemütlichen Zelt, nicht fehlen. Vormittags ging es an den Heiligmannsee bei Jettingen-Scheppach, wo ich mich mit Max Deisenhofer und Axel Egermann, Geschäftsführer der Regionalmarketing Günzburg, traf. Ein geeigneter Platz, um uns über Radtourismus in der Region zu unterhalten: Am Heiligmannsee treffen sich gleich mehrere Rad- und Wanderwege. Egermann berichtete uns, dass sein Landkreis durch das bekannte Legoland viele auch internationale Gäste habe. Diese versuche man unter anderem mit einem attraktiven Wegenetz dazu zu bewegen, wieder in die Region zu kommen und dann neben dem Freizeitpark auch die Landschaft und Natur zu genießen.
Besonders wichtig ist ihm im Tourismus intensive Kommunikation – nicht nur mit den Gästen sondern auch mit Betrieben, Kommunen und Nachbarlandkreisen. Dass die Landkreise Günzburg und Dillingen nicht nur beim DonAUwald-Weg, den ich am Vortag besucht habe, kooperieren, sondern auch gemeinsam einen Wegewart für die Kontrolle ihrer Radwegenetze eingestellt haben, gefällt mir gut. Gemeinsames Handeln über administrative Grenzen hinweg hilft im Tourismus so viel mehr weiter als Kirchturmdenken. Gästen ist es schließlich herzlich egal, warum ein Wander- oder Radweg im Nichts endet oder eine Busverbindung nicht verfügbar ist. Der Frust ist immer derselbe. Insofern dürfte die enge Absprache in der Region sicher auch die Zufriedenheit der Gäste steigern, die die Region genießen wollen.
Anschließend unternahm ich gemeinsam mit Grünen aus der Region eine Radtour durch die Stauden, den südlichen Teil des Naturparks Augsburg – Westliche Wälder. In Langenneufnach besichtigten wir den Streuobstweg und der ehemalige Bürgermeister Josef Böck informierte uns über zwanzig Jahre Bemühungen zur Reaktivierung der Staudenbahn. Nicht nur für die Bevölkerung, sondern auch für Gäste hätte ein regulärer Personenverkehr auf der Strecke einen großen Nutzen. Dass die Reaktivierung trotzdem immer weiter verschoben wird, ist für mich unverständlich. Wir Grüne setzen uns für die Reaktivierung von Bahnstrecken ein. Außerdem wollen wir auch auf bestehenden Strecken mehr touristischen Verkehr, also Bahnen, die auch dann fahren, wenn Tagesausflügler*innen und Tourist*innen Regionen besuchen wollen.
Unsere Tour führte uns weiter durch die hügelige Staudenlandschaft nach Siegertshofen, wo wir ein recht neues Projekt zum nachhaltigen Tourismus besichtigten: Unter dem Namen „Der Süden ist blau“ haben Christine Roggors und Joachim Pangratz ein kleines Ferienidyll in der Natur geschaffen. Sie vermieten ein liebevoll eingerichtetes Baumhaus und einen restaurierten historischen Zirkuswagen an Gäste, die Ruhe im Grünen suchen. Obwohl die Corona-Pandemie auch sie wirtschaftlich sehr getroffen hat, freuen sie sich jetzt über eine große Nachfrage. Von Siegerstshofen führte uns die Radtour nach Oberschönenfeld, wo wir uns nach einem kleinen Rundgang über die Anlage zu einem abschließenden Biergartengespräch bei sommerlichen lauen Temperaturen trafen. Pünktlich vor dem abendlichen Gewitter saß ich dann frisch gestärkt mit meinem unverwüstlichen Fahrrad und Gepäck zurück im Zug nach Erlangen.
Nach so einer Tour bleibt mir eigentlich nur noch Danke zu sagen. Danke an alle, die ich bei der Tourismus-Tour besuchen durfte und die mich begleitet haben! Die Tour war nicht nur eine interessante Woche für mich und meine Kolleg*innen, ich habe auch einiges für meine Arbeit als Sprecher für Tourismus der Grünen Fraktion im Landtag mitgenommen. Politik muss Rahmenbedingungen schaffen, die einen nachhaltigen Tourismus fördern. Diese Rahmenbedingungen können wir auch auf Landesebene verbessern, sei es durch mehr Engagement für nachhaltige Mobilität, zusätzliche Förderung für sinnvolle Besucher*innenlenkungsmaßnahmen oder eine Stärkung der Tourismusforschung.
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